Deutsche und englische wissenschftliche Texte unterscheiden sich stark in ihren Argumentationsstilen, und ihre Terminologie lässt sich nicht immer eins zu eins übersetzen.
Strukturelle Unterschiede
Sprache hat im englischen und deutschen Wissenschaftsgebrauch unterschiedliche Funktionen. Linguisten unterscheiden z.B. einen eher adressatenorientierten Ansatz im Englischen gegenüber einem eher inhaltsorientierten Ansatz im Deutschen. Im Englischen geht es um eine dialogisch-argumentative Darstellung von Thesen und Ergebnissen, die durch die Einbeziehung von Gegenpositionen auf einen gemeinsamen Common Sense von Autoren und Leserinnen abzielen. Einleitungen englischer Wissenschaftstexte sind deshalb häufig binnenstrukturierend und bieten vielerlei Vorabinformationen (sog. advance organizer), mit deren Hilfe die Leser an den wissenschaftlichen Gegenstand der Arbeit herangeführt und das argumentative Vorgehen anhand eines roten Fadens dargestellt wird. Beispiele für advance organziers sind: this paper describes, this paper aims; in section a, b, c the paper outlines. Ein gemeinsames Verständnis wird z.B. geschaffen durch Formulierungen wie “civic engagement as a tool for democracy building has deep roots … going back to … Alexis de Tocqueville”; “so despite its length, this work deals only with bare essentials and their ‚cleaning‘, and may be characterized summarily as a work on mainstream basics. While the task may appear unexciting, it still is much a needed one because we must have (and give) reasons for the institutions we have, and because democracies are not viable unless the citizens understand them”. (Sartori: The Theory of Democracy revisited. Chatham House Publishers, New Jersey 1987, xi)
Deutsche wissenschaftliche Texte sind dagegen häufig hermeneutischer angelegt. Die Autoren setzen ein Wissen über den kommenden Inhalt voraus. Die Einleitungen sind diskursiv, motivierend geschrieben – „Der Begriff der Politischen Kultur hat einen Siegeszug durch die Welt angetreten“ (Sontheimer: Deutschlands Politische Kultur. Piper München 1991, 9) danach werden unter folgenden Unterüberschriften unabhängig voneinander verschiedene Aspekte ausgeführt: Politische Kultur normativ gesehen, Wie entsteht eine Politische Kultur, Die Rolle der Politiker, Die reife demokratische Kultur. Es werden eher wenige Sprachmittel eingesetzt, die die kommende Textstruktur vorstellen, wodurch inhaltliche Elemente zunächst meist unverbunden, für sich stehend aufgeführt werden, aus denen die Leser die Zusammenhänge selbst erkennen müssen. Das Ziel ist vor allen Dingen die wissenschaftliche Notwendigkeit einer Untersuchung nachzuweisen – im Englischen wird dieser Konsens argumentativ einbezogen bzw. vorausgesetzt, sodass ein solcher Nachweis nicht mehr notwendig ist. Für Übersetzer bedeutet dies, dass man sich bei der Übersetzung ins Deutsche mit den fachlichen Kontexten der jeweiligen Ausgangstexte gut auskennen muss, um die Bedeutungen richtig einordnen und damit angemessen übertragen zu können, ggf. müssen diese so aufbereitet werden, dass die Texte für das nicht-deutschsprachige Zielpublikum, das mit der dt. Textstruktur möglicherweise nicht so vertraut ist, verständlich gemacht werden. Die Leser werden weniger durch den Text geleitet als in englischsprachigen Wissenschaftstexten. Anstelle eines roten Fadens werden in der Einleitung mehrere Fäden ausgelegt, die erst im Laufe des folgenden Texts nach und nach zusammengeführt werden.
Semantische Unterschiede
Unterschiede lassen sich auch auf der semantischen Ebene feststellen. Die deutsche Wissenschaft hat sich während der Aufklärung vor allem in der Philosophie entwickelt und von den antiken Vorbildern emanzipiert, weswegen eine neue Begrifflichkeit geschaffen wurden, die die neue, aufgeklärte Welt und ihre Ideen besser beschreiben konnte. Viele wissenschaftliche Begriffe sind deshalb aus der eigenen Sprachtradition gewachsen und inhaltlich geprägt; sie benennen den beschriebenen oder untersuchten Gegenstand, der attributiv spezifiziert wird. Dabei wird Wert auf begriffliche Eindeutigkeit gelegt, das neues Wissen repräsentiert – im Gegensatz zum Englischen. Die englischen Fachbegriffe stammen in ihren Sprachwurzeln zu einem großen Teil aus dem Griechischen oder Lateinischen. Es werden viel eher selbstständige und uneindeutige Begriffe verwendet, die erst in einen allgemeinsprachlichen Kontext eingebettet werden müssen, um ihre jeweilige Bedeutung zu erhalten. Die Darstellung neuen Wissens hängt damit selten an einzelnen determinierenden Begriffen sondern wird linear im Text entwickelt. Für die Übersetzer aus dem Englischen bedeutet dies ein höheres Maß an kontextueller Terminologiearbeit, die auf die Verständnisebene des Zielpublikums genau abgestimmt werden muss. Ein Begriff wie leader in politischen Texten bietet deutschen Übersetzern beispielsweise eine Fülle von Übertragungsmöglichkeiten, aus denen je nach Kontext der passende ausgewählt werden muss, auch die im Deutschen kontaminierte Übersetzungsvariante Führer zu vermeiden.
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